03.02.2020

Hubkraftwerk: Betonblöcke statt Wasser

Der erste kommerzielle Prototyp von Energy Vault, 60 Meter hoch, wird demnächst im Tessin zu sehen sein. © Energy Vault

Das Tessiner Startup Energy Vault präsentiert eine neue Form der Energiespeicherung: Betonblöcke werden am Seil per Kran hochgezogen, mit erneuerbarer Energie, und dann bei Bedarf wieder heruntergelassen, um Strom zu erzeugen. Investoren und Kunden aus der ganzen Welt interessieren sich für die Technik.

Solar- und Windenergie spielen in den Energiestrategien von immer mehr Ländern eine bedeutende Rolle. Doch die Frage, wie sich erneuerbare Energie speichern lässt und dem schwankenden Konsum während des Tages angepasst werden kann, bleibt ein Problem.

Die von Energy Vault gefundene Lösung besteht aus einem gigantischen Turm aus kostengünstigen Verbundsteinen, von denen jeder 35 Tonnen wiegt. Ein zentral integrierter Spezialkran mit sechs Armen lagert diese Steine – ähnlich wie beim Lego-System – von oben nach unten um und nutzt dafür erneuerbare Energie. Bei der Abwärtsbewegung – bedingt durch die Gravitationskraft – wird gespeicherte Energie mit relativ bescheidenem Energieverlust wieder in elektrische Energie zurückgewandelt. Eine Spezialsoftware steuert diesen Ladungs-/Entladungsvorgang im Energiespeicherturm des Hubkraftwerks autonom.

Analog zum Prinzip Pumpspeicherkraftwerk

Das System gleicht dem Prinzip der bekannten Pumpspeicherkraftwerke, welche die Höhendifferenz von zwei Wasserbecken ausnutzen; eine Technik, die seit Jahrzehnten angewandt wird. Das Wasser wird auf die höhere Ebene gepumpt, wenn ein Energieüberschuss besteht und die Stromtarife niedrig sind. Wenn der Verbrauch hoch liegt, wird das Wasser abgelassen und der gewonnene Strom zu höheren Tarifen verkauft. Bis heute befinden sich 96 Prozent der weltweit gespeicherten Energie in Speicherseen.

Pumpspeicherkraftwerke Kraftwerke können allerdings nur in Ländern realisiert werden, die über Berge, Wasser und gute finanzielle Ressourcen verfügen. Und in diesen Ländern ist ein Ausbau aus Umwelt- und Naturschutzgründen vielerorts in Frage gestellt. Ein «Batterieturm» aus Beton hingegen lässt sich überall verwirklichen. «Die Preise liegen viel tiefer und der Energieeffizienzgrad erreicht 80 Prozent, höher als in Pumpspeicherkraftwerken“, betont Robert Piconi, Geschäftsführer von Energy Vault.

Laut Energy Vault erlaubt ein 120 Meter hoher Turm die Speicherung von 35 MWh an elektrischer Energie. Damit liessen sich 2000 bis 3000 Wohnungen für acht Stunden mit Strom versorgen. Die Kosten belaufen sich auf 8-9 Millionen Franken. Mitte November 2019 hat das Startup in der Tessiner Gemeinde Arbedo-Castione, einem Vorort der Kantonshauptstadt Bellinzona, ein Baugesuch für einen Prototyp eines 60 Meter hohen Speicherturms eingereicht. Mit diesem Prototyp sollen die Software und die Prozesse zum Verschieben der Betonblöcke optimiert werden.

Das Video zeigt, wie der Turm funktioniert:

 

110 Mio. Finanzspritze, noch bevor die kommerzielle Tätigkeit aufgenommen wird

Sollte diese «Generalprobe» erfolgreich sein, könnte das Hubkraftwerk schon ab Mitte 2020 regulär auf den Markt kommen. Mehr als 100 Unternehmen haben gemäss Energy Vault ihr Interesse angekündigt und würden die Pilotanlage in den kommenden Monaten besuchen, darunter Tata, die grösste Industrie-Gruppe Indiens.

Energy Vault erhielt im vergangenen August eine Finanzspritze in Höhe von 110 Millionen USD vom Vision Fund, einem der grössten Fonds und Risikokapitalgeber für Investitionen in neue Technologien, dem die japanische Softbank steht. Dies ist eine beachtliche Summe für ein, das noch nicht einmal seine kommerzielle Tätigkeit aufgenommen hat.

Quelle: www.swissinfo.ch

 

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